Prof. Dr. Thomas Vietor
Mein Beitrag zu dieser Publikation wurde durch Frau Bundesministerin a.D. Schavan ermöglicht. Einen Beitrag zur Zusammenarbeit mit chinesischen Partnern zu schreiben bedarf bei mir keiner Motivation daher nutze ich die Gelegenheit sehr gerne. Ich selber habe nach dem Studium des Maschinenbaus und einer Promotion im Fach Technische Mechanik 15 Jahre bei einem OEM aus der Automobilwirtschaft gearbeitet, bevor ich dann auf die Professur Konstruktionstechnik an der TU Braunschweig berufen wurde. In meiner Zeit in der Automobilindustrie habe ich in dem Konzern auch am Rande mit China als Partner in der Entwicklung und Produktion zusammengearbeitet und ein klein Wenig auch direkt mit chinesischen Kunden. Der Geschäftsbereich meines Unternehmens, der für den asiatischen Markt verantwortlich war, war weitgehend getrennt von den übrigen Geschäftsbereichen. Es bestand insgesamt eher eine Zurückhaltung sich auf diesen Märkten, aber insbesondere China, zu engagieren. Das haben andere Fahrzeughersteller deutlich stärker verfolgt, diese haben heute auch sehr große Teile ihres Geschäftes auf dem chinesischen Markt. Das ist natürlich ein Erfolg, der aber auch das Risiko der starken Abhängigkeit mit sich bringt. Wobei die Abhängigkeit natürlich zum einen den Absatzmarkt selber betrifft aber auch stark von der jeweiligen politischen Lage abhängt. Dazu später mehr, auch in meiner jetzigen Verantwortung spielt die politische Lage eine Rolle, viel stärker als ein erster Blick erwarten lässt.
Als Berufseinsteiger bei einem Automobilunternehmen arbeitet man natürlich mit Kolleginnen und Kollegen aus vielen Ländern zusammen. Mit meiner eigenen Weiterentwicklung im Management des Unternehmens war ich zunehmend auch für Personaleinstellungen zuständig. In vielen Interviews und Einstellungsverfahren habe ich dann auch die Stärken der Bewerberinnen und Bewerber aus unterschiedlichen Ländern kennen gelernt. Da gab es sehr deutliche Schwerpunkte in den speziellen Fachkenntnissen je nachdem aus welchem Land die- oder derjenige kam. Speziell im Bereich Berechnung und Konstruktion kamen viele sehr gute Bewerber/innen aus asiatischen Ländern. Einer meiner Mitarbeiter, später Gruppenleiter und dann auch Kollege im Management in unserem Unternehmen, kam aus China und hatte u.a. sehr gute analytische Kenntnisse auf vielen Gebieten der Fahrzeugtechnik. Dieser Kollege stellte den Anfang meiner langjährigen Zusammenarbeit mit China, d.h. mit chinesischen Partnern dar, nur wusste ich das natürlich lange Zeit in der Zusammenarbeit mit ihm in unserem gemeinsamen Unternehmen nicht. Nach ca. 10 Jahren der gemeinsamen Arbeit in dem Unternehmen hörte ich von ihm, dass er mit seiner Familie zurück nach China geht. Konkret nahm er die Position als Professor an der Tongji-Universität in Shanghai an. Nebenbei erfuhr ich, dass der Kollege bereits vor vielen Jahren in China Teil eines Talente-Programms war, bei dem aus sehr vielen Schülern und Studierenden einige wenige ausgewählt und gezielt über viele Jahre gefördert werden. Nach so langer Zeit in Deutschland war es sicher ungewöhnlich für ihn, dann doch wieder zurück nach China zu gehen, aber das Angebot war offensichtlich so gut, dass mein Kollege dieses annahm. Da glaubte ich, dass ich ihn kaum wiedersehen würde, zu weit weg war ein beruflicher Einsatz von mir in China in meiner aktuellen Funktion. Bis ich dann nach einigen Jahren selber die Möglichkeit nutzte eine Stelle als Professor an der TU Braunschweig anzunehmen. Dort an der TU Braunschweig sprach mit nach kurzer Zeit der damalige Präsident an, ob ich nicht die Rolle als Beauftragter der Universität für China übernehmen wolle. Dies interessierte mich, aber ich wusste nicht genau, was das bedeutete. Die TU Braunschweig war bereits zu dieser Zeit – etwa im Jahr 2010 – mit verschiedenen Fächern aus den unterschiedlichen Fakultäten in Kooperation mit jeweils unterschiedlichen Partnern in China. Ein Beauftragter für die gesamte Universität konnte weder die Fächervielfalt noch die unterschiedlichen Standorte in China unterstützen. So konzentrierte ich mich auf die Zusammenarbeit mit der Tongji-Universität in Shanghai und kam dadurch wieder in Kontakt mit meinem früheren Kollegen. Nach einigen offiziellen Reisen mit unserem Präsidium zur Tongji-Universität und natürlich Besuchen der chinesischen Partner bei uns in Braunschweig, bekam ich die Gelegenheit im Chinesisch-Deutschen-Hochschulkolleg (CDHK) die Rolle als Fachkoordinator des Fachgebietes Fahrzeugtechnik zu übernehmen und damit die Zusammenarbeit auf eine organisatorische Grundlage zu stellen. Das CDHK wurde auf Initiative des früheren Bundeskanzlers Helmut Kohl gegründet und bestand erst aus drei, dann mit der Fahrzeugtechnik aus vier, Fachrichtungen und sollte die chinesisch-deutsche Zusammenarbeit mit Beteiligung der Industrie fördern. Mentor des Programmes auf chinesischer Seite war lange Zeit der spätere chinesische Wissenschaftsminister Prof. Dr. Wan Gang, der nach seiner Promotion in Deutschland, Professor an der Tongji-Universität wurde, später Präsident dieser Universität und dann Wissenschaftsminister. Am CDHK bildet jede der vier beteiligten Fachrichtungen eine Art Fakultät mit Professorinnen und Professoren aus den jeweiligen Kollegs der Tongji-Universität. Hinzu kommen Stiftungsprofessuren, die von Industrieunternehmen finanziert werden, die sowohl in Deutschland als auch in China vertreten sind. In den jeweiligen Fachrichtungen werden eigene deutschsprachige Studienprogramme zum Master aufgebaut, bei denen Studierende jeweils in China und Deutschland einen Teil des Curriculums absolvieren. In meinen ersten beiden Jahren haben wir dann ein Doppelmasterprogramm zwischen der Tongji-Universität und der TU Braunschweig aufgebaut und führen dieses seit dieser Zeit sehr erfolgreich durch. Die Pandemie in den vergangenen zwei Jahren hat das Programm allerdings weitgehend unterbrochen, nur noch wenige Studierende waren in dieser Zeit Teilnehmer. Wir hoffen alle, dass wir die schwierigsten Teile der Pandemie überwunden haben und das Programm wieder mit großem Engagement weiter verfolgen und ausbauen können.
In der Zwischenzeit ist die Bedeutung von China weiter gestiegen und die Zusammenarbeit in Wirtschaft und Forschung wichtiger als je zuvor. Und das, zum Datum der Erstellung dieses Beitrags, unter sehr schwierigen Randbedingungen. Zum einen mit immer weiteren Einschränkungen, national und international durch die weltweise Pandemie, mit ungewisser Aussicht auf die weitere Entwicklung. Zum anderen durch den russischen Angriffskrieg in der Ukraine mit allen uns bisher bekannten Auswirkungen, die jede Bürgerin und jeden Bürger in Europa betreffen und darüber hinaus weltweite gravierende Veränderungen nach sich ziehen. In der Pandemie hat der Austausch von Studierenden und Forschern natürlich sehr stark gelitten. Die sehr guten Beziehungen, die über viele Jahre gewachsen sind, halten aber, und über die Distanz erfolgt ein durchaus nach wie vor guter Austausch über digitale Medien. Der direkte persönliche Austausch und die gemeinsame Arbeit an einem Ort lässt sich allerdings nicht rein virtuell ersetzen. Es konnten auch weitere Partner gewonnen werden, die jeweils mit Stiftungsprofessuren einen der Grundpfeiler des CDHK stärken. Einige Firmenpartner haben sich aber auch von der Weiterführung der Professuren verabschiedet weil man andere Prioritäten in China verfolgt oder aber unterschiedliche Erwartungen entstanden sind. War die Zusammenarbeit zur Gründung des CDHK weitgehend auf die Lehre in Masterstudiengängen beschränkt, wird zunehmend die Kooperation in der Forschung bedeutsamer. Hierdurch sind weitere Partner auf chinesischer und deutscher Seite gewonnen worden und die Fakultäten der beteiligten Universitäten beteiligen sich noch stärker. Erste größere bilaterale Forschungsprojekte in Zukunftsthemen wie der Elektromobilität wurden und werden von den Ministerien beider Länder finanziell unterstützt. Dies hatte vor drei bis vier Jahren eine hohe Priorität, die aber leider gesunken ist womit sich die Finanzierung solcher Projekte als zunehmend schwieriger gestaltet. Sicher auch eine Folge der globalen politischen Entwicklung, auf die die beteiligten Partner aus den Universitäten und Firmen keinen Einfluss haben. Die Zusammenarbeit wird direkt oder indirekt durch die politischen Rahmenbedingungen beeinflusst und diese sind aktuell eine zunehmende Herausforderung. Daher kann nur an die direkt beteiligten Wissenschaftler/innen appelliert werden, die Beziehungen auch in schwierigeren Zeiten weiter zu pflegen und zu entwickeln. Die langjährig gewachsenen Beziehungen entwickeln sich auch unter den aktuellen Herausforderungen positiv weiter. Es finden sich auch geeignete Formate um sich über kritische Themen auszutauschen. Mittelfristig müssen aber die Politik und die Ministerien stabile Unterstützung geben, damit das Potential der wissenschaftlichen Zusammenarbeit der beiden Länder genutzt werden kann, um gesellschaftliche und wirtschaftliche Rahmenbedingungen für die globalen Herausforderungen zu schaffen.
Über den Autor
Seit 04/2009 Leiter des Instituts für Konstruktionstechnik an der TU Braunschweig;
Seit 02/2009 Universitätsprofessor für Konstruktionstechnik an der TU Braunschweig;
2001- 01/2009 Abteilungs- und Projektleiter in der Europäischen Organisation der Ford Motor Co. und zugleich Leiter einer Entwicklungsabteilung der Ford Motor Co. in England;
1999- 2001 Leiter der Abteilung Fahrzeugkonzepte bei der Ford Werke GmbH, Köln;
1994- 1999 Entwicklungsingenieur bei der Ford-Werke GmbH in Köln im Bereich Schwingungslehre und Akustik;
1993 Promotion zum Dr.-Ing. an der Universität Siegen;
1989- 1994 Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Universität Siegen;
1983- 1988 Maschinenbaustudium an der Universität Siegen;