Prof. Dr. Michael Saliba
Internationale Verständigung über Wissenschaft und Forschung
Für einen Wissenschaftler, der über nachhaltige Solarzellen forscht, ist Chinas Beitrag im Bereich der Photovoltaik in den letzten Jahren eindrucksvoll gewesen. China hat sich über viele Jahre hinweg eine sonnige Spitzenposition erarbeitet, gemessen an Publikationen, dem zügigen Ausbau großflächiger Solarparks, der Rückgewinnung von Spitzenforschern aus dem Ausland oder der Gründung von Start-Ups. Seit einem Jahrzehnt werden die meisten Photovoltaikmodule in China installiert, so dass inzwischen ein Drittel aller weltweiten Solaranlagen in China Strom produzieren. Zusammen mit anderen Ländern gibt es entsprechend einen regen internationalen Wettbewerb um das Thema nachhaltige Energieerzeugung. Gerade Deutschland hat hier entscheidende Beiträge geliefert, im wissenschaftlichen Verständnis von Solarzellen, aber auch durch die schlagartige Erzeugung eines Milliardenmarkts für Solarzellen mit der Einführung des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes in den 2000ern, das den Photovoltaikstrom mit einer Einspeisevergütung besonders gefördert hat. Dadurch konnte die Photovoltaikproduktion hochskaliert werden, insbesondere in China. Dies hat eine weltweit florierende Solarindustrie ermöglicht, die über kostenoptimierte Lieferketten und Prozesse, Solarmodule auf die Dächer Europas und der Welt gebracht hat und bringt.
Mit dem Einsetzten von Corona haben sich die Lieferketten als anfällig erwiesen. Die Rufe werden nun lauter nach einer entkoppelteren Weltwirtschaft mit einheimischen, autarken Produktionsprozessen. Allerdings kann das Thema Solarenergie nur einen dauerhaften Beitrag gegen die Klimaerwärmung liefern, wenn es global gedacht wird. Das bedeutet zwangsläufig, dass China von Anfang an eingebunden sein muss, da ansonsten die ambitionierten (und systemessenziellen) Klimaziele für die nächsten Jahrzehnte in weite Ferne rücken. Enge Zusammenarbeiten erfolgen idealerweise früh und auf vielen Ebenen. Eine besondere Bedeutung kommt dabei der Wissenschaft zu, die im Falle der Solarzellenforschung Deutschland und China bereits eng verbindet. Die zahlreichen Wissenschaftskooperationen transzendieren Ländergrenzen und bringen Forschende oftmals bereits in jungen Jahren zusammen, wodurch langjährige Beziehungen und damit ein belastbares Vertrauen zustande kommt.
Wissenschaft und Forschung sind ihrer Natur nach auf das internationale Gespräch zwischen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern angewiesen. Nur so wird es möglich, Arbeitsergebnisse auf ihre Relevanz und Schlüssigkeit hin zu überprüfen und der Aufgabe gerecht zu werden, in der Welt der Wissenschaft akzeptiertes Wissen zu vermehren. Eine Zusammenarbeit von Wissenschaftlern, gerade im frühen Karrierestadium, kann Teil dieses internationalen Dialogs sein. Dies kann dem Format der Jungen Akademie folgen, die als erste junge Akademie im Jahre 2000 in Deutschland ins Leben gerufen wurde, und zur Gründung zahlreicher weiterer junger Akademien weltweit geführt hat.
Eine Grundidee junger Akademien ist es, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern ein Forum zu bieten, in dem sie fächerübergreifend und interdisziplinär zusammenarbeiten, den Dialog zwischen Wissenschaft und Gesellschaft mitgestalten, internationale Zusammenarbeit anstoßen und entscheidende Impulse entwickeln, die bei den heutigen Entscheidungsträgern Gehör finden. Die besondere Bedeutung junger Akademien liegt auch darin, dass es dabei um die wissenschaftliche Kommunikation und Vernetzung der kommenden Generation geht, derjenigen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die zunehmend Verantwortung in ihren Bereichen übernehmen werden. Grundlegend für das Gelingen eines solchen Unterfangens ist, dass die Mitglieder unter den Gesichtspunkten der qualitativen Exzellenz in den von ihnen vertretenen Disziplinen ausgewählt werden.
Gerade in politisch komplexen Situationen ist es sinnvoll, Gesprächskanäle in den Bereichen offen zu halten, die nicht unmittelbar vom politischen Tagesgeschehen betroffen sind. Das gilt vor allem, wenn Abschottungen von beiden Seiten drohen, die jede Kommunikation zu kontroversen Themen mit dem Verdacht der Politisierung belegen. Die Gegenstände der Kommunikation sind dabei fast beliebig austauschbar. Für Wissenschaft und Forschung gilt dagegen Internationalität und Stringenz.
Als Zukunftsimpuls für das Deutsch-Chinesische Dialogforum soll daher die Idee einer jungen Akademie, die in China und Deutschland beheimatet ist, eingebracht werden.
Dies erscheint besonders zeitgemäß: Die chinesische Wissenschaft hat in den vergangenen Jahren ungemeine Fortschritte erzielt, die u. a. durch das Anwerben hochtalentierter Nachwuchsforscherinnen und -forscher im Rahmen des "1000-Talente-Plans" begünstigt wurden. Die Kombination aus neugewonnenen Forschenden mit massiven Investitionen wird in den nächsten Jahren die chinesische Wissenschaftslandschaft nachhaltig prägen. Die neuen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler wurden im Ausland, teilweise auch in Deutschland, ausgebildet, wodurch eine Vertrautheit mit anderen Wissenschaftssystemen und Kulturen vorhanden ist. Zudem genießt der deutsche Wissenschaftsstandort bei Forschenden und Studierenden aus chinesischen Institutionen immer größerer Beliebtheit. Aber auch Forschende und Studierende aus deutschen Institutionen lehren, forschen und studieren immer häufiger in China. Oftmals sind es gerade die jüngeren Generationen, die die vielen Austauschmöglichkeiten nutzen.
Hierfür muss ein organisatorischer Rahmen gelegt werden, der sich an den vor Kurzem von 40 jungen Akademien verabschiedeten „Richtlinien Junger Akademien“ orientieren kann, die als unverrückbare Kernbestandteile einer jungen Akademie unter anderem festhalten: Exzellenz, Diversität und Inklusivität, Verantwortungsbewusstsein, Evidenz-basiertes und reproduzierbares Wissen, Unabhängigkeit, Transparenz sowie Integrität.
Das Deutsch-Chinesische Dialogforum kann ein wichtiger Geburtshelfer für eine deutsch-chinesische junge Akademie sein und damit eine langfristige Grundlage für internationale Zusammenarbeit und Völkerverständigung legen.
Über den Autor
Prof. Dr. Michael Saliba leitet das Institut für Photovoltaik (ipv) der Universität Stuttgart und ist zudem Gruppenleiter am Forschungszentrum Jülich. Zuvor hat er in Oxford in der Physik promoviert und war anschließend u.a. an der EPFL und TU Darmstadt tätig mit Aufenthalten in Cornell und Standford. Er ist Mitglied der Jungen Akademie und der Global Young Academy.
Mit über 150 Artikeln in den Gebieten der Optoelektronik und Solarzellen gilt Prof. Saliba als Experte für nachhaltige Energieerzeugung; ein Thema, das ihn dauerhaft mit chinesischen Forschern verbindet, die ebenfalls an Lösungen gegen den Klimawandel forschen