Deutsch-Chinesisches Dialogforum
2023

Prof. Dr. Joachim von Braun


Von „Nixon in China“ zu Forschungskooperationen und Wissenschafts-Diplomatie in angewandter Wirtschaftsforschung mit China  

Diplomatie kann bedeutsam sein. Richard Nixons Besuch der Volksrepublik China im Februar 1972 war ein bedeutender Schritt zur Verbesserung der diplomatischen Beziehungen zwischen den USA und der Volksrepublik China. Die Aufnahme der diplomatischen Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Volksrepublik China im Dezember des Jahres 1972 war u.a. eine Folge der veränderten USA-China Beziehungen. Der Komponist John Adams hielt den Handschlag zwischen Nixon und Mao für weitreichender als die Mondlandung. Elf Jahre nach dem historischen Ereignis, 1983, regte der Regisseur Peter Sellars eine Oper darüber an. 1988 haben meine Frau und ich diese Oper „Nixon in China“ im Kennedy Center in Washington D.C. gesehen. Ich wollte dies erleben, da ich die künstlerische Sicht auf die USA-China Beziehungen verstehen wollte, zumal ich zu der Zeit schon einige Male in China gewesen war und Forschungskooperationen begonnen hatte.

Diese Oper – wie auch die diplomatischen Beziehungen – wurde damals sehr unterschiedlich beurteilt. Ein Kritiker sagte „Herr Adams machte was McDonald’s mit dem Hamburger anstellte: Er strapazierte einen simplen Einfall für alle Ewigkeit“, andere hielten dies für die größte amerikanische Oper seit Porgy and Bess. Meine Kritik siedelte sich eher dazwischen an.

Chinas politische und wirtschaftliche Transformation nach 1978 faszinierte mich. Erstaunlich wenig von der internationalen Wirtschafts- und Entwicklungspolitik wurde damals und heute wahrgenommen, dass die Transformation der Landwirtschaft Chinas und die damit verbundene Reduzierung der Armut die Grundlage des faszinierenden Aufstiegs der Nation war.

Meine Erfahrungen mit wissenschaftlicher Kooperation in den 1990er und 2000er Jahren waren insgesamt positiv. Dies waren diverse Kooperationen aus meinen Instituten an der Universität Kiel, dann Bonn und dann als General Direktor des International Food Policy Research Institute in Washington DC. Die Kooperationen waren von gegenseitigem Respekt, gemeinsamem Lernen und Offenheit gekennzeichnet. Dabei war ein großes chinesisches Interesse an der jüngeren deutschen Wirtschaftsgeschichte zu befriedigen.

Meine über drei Jahrzehnte reichenden gemeinsamen Forschungen mit Universitäten und Akademien zu Ernährung, Agrar-Marktpolitik, Beschäftigungspolitik, Finanzsystemen sowie Armuts- und Sozialpolitik waren oft verbunden mit direkter Diskussion zur Umsetzung von sich gerade erst abzeichnenden Forschungsergebnissen. Diese Bereitschaft zum raschen experimentellen Umsetzen von Innovationen auf lokaler oder regionaler Ebene ist ein wesentlicher Faktor des Erfolges und atemberaubenden Tempos der chinesischen Transformationsprozesse.

Meine vielen Reisen durch chinesische Provinzen und dortige Dialoge auf den verschiedenen Ebenen, mit Bauern, lokalen Entscheidungsträgern und Politikern haben schon früh in den 1980er Jahren die großen Chancen erahnen lassen, die dann die Welt und China selbst überraschten. Entscheidend dafür war m.E. das Interesse an Bildung und an evidenz-basierten, forschungs-informierten Innovationen.

Fruchtbringende Wissenschaftsdiplomatie war nicht nur in den frühen 2000er Jahren möglich, sondern wurde aus China aktiv mitbetrieben. Da war nicht nur der zahlreiche Austausch über Wissenschaftler und Doktoranden. Ich kann auch auf mehrere persönlichen Erfahrungen mit Tagungen zu kontroversen Themen verweisen. So die Initiierung eines wissenschaftlich / politischen China-Indien Dialogs („The Dragon and the Elefant“) zu wirtschaftlicher Entwicklung und Landwirtschaft. Das war zwar in den 2000er Jahren nicht einfach, aber möglich und erfolgreich.  Eine internationale Konferenz unter dem Titel „Taking Action for the World’s Poor and Hungry People“, die ich im Oktober 2007 in Peking mit Partnern organisiert habe (mit State Council Leading Group Office of Poverty Alleviation and Development of China, sowie International Poverty Reduction Center in China (IPRCC) und der Chinese Academy of Agricultural Sciences (CAAS)),  hatte über tausend engagierte Teilnehmer aus aller Welt, die sich mit den Erfolgen und Problemen der Armutsreduzierung, chinesischen Erfahrungen und Lösungen befassten. Diese Tagung fand damals in offener Atmosphäre und mit wachem Engagement hochstehender chinesischer Politiker statt, obwohl zeitgleich der XVII. Parteitag (2007) stattfand.

Zurück zum letzten Akt der Oper „Nixon in China“. Der dritte Akt thematisiert den letzten Tag des Staatsbesuches. Die Beteiligten sind müde, nur das Ehepaar Mao ist guter Dinge. Der große politische Durchbruch blieb aus. Das abschließende Kommuniqué ist gerade ausreichend, damit beide Seiten ihr Gesicht wahren. Die Maos beginnen zu tanzen (Jiang Qing: „We’ll teach these motherfuckers how to dance“); beide Paare blicken auf ihr Leben zurück – Mao und seine Frau auf die Zeit des revolutionären Kampfs, Nixon auf seine Jahre als Marinesoldat im Krieg. Premier Zhou Enlai fragt nachdenklich: „How much of what we did was good?“ Diese Frage müssen wir uns auch heute stellen – auf beiden Seiten in Deutschland und in China. Viel war meines Erachtens gut am wissenschaftlichen Austausch. Im Gegensatz zur neuen Oper „Nixon in China“ ist die traditionelle „Peking-Oper“ viel komplexer und auch viel länger. Mythen und alte Geschichten spielen wichtige Rollen, dabei sind ethische Werte wie Liebe zum Vaterland, Freundschaft und Liebe zentral. Die Peking-Oper vereint eine Vielzahl von Künsten mit Gesang, Instrumentalspiel, Schauspiel, Pantomime, Tanz und Kampftechniken. Vielleicht sollte die Deutsch-Chinesische Diplomatie sich solcher Komplexität und Vielfalt befleißigen, um in den kommenden 50 Jahren erfolgreich zu sein. Wissenschafts-Diplomatie sollte dabei eine Komponente des „Schauspiels“ sein, nicht eine Kampftechnik.


Über den Autor



Joachim von Braun ist Senior Professor für wirtschaftlichen und technologischen Wandel am Zentrum für Entwicklungsforschung (ZEF) der Universität Bonn. Seine wissenschaftlichen Arbeiten konzentrieren sich auf wirtschaftliche Entwicklung, Landwirtschaft, Ernährung, Armut, Nachhaltigkeit und Innovation.

Er ist Präsident der päpstlichen Akademie der Wissenschaften, Mitglied der deutschen Akademie Leopoldina und anderer Akademien, Mitglied in Beratungsgremien chinesischer Forschungseinrichtungen, z.B. der Academy of Global Food Economics and Policy (AGFEP), China Agricultural University und des Center for Chinese Agricultural Policy, Chinese Academy of Science (CAS),  Beijing, China.