Jo Leinen
Deutschland und China : Goldene Hochzeit und was danach?
Als Student bin in bei eisiger Kälte durch Ostberlin gelaufen, um in der Chinesischen Botschaft eine Mao-Bibel zu ergattern. Die Nachrichten von einer sogenannten Kulturrevolution in China hatten uns elektrisiert. Um dann später festzustellen, dass es nicht um die Förderung, sondern um die Zerstörung von wertvoller Kultur ging. Eine erste Enttäuschung.
Der demokratische Aufbruch 1989 in vielen Ländern ließ die Hoffnung keimen, dass auch in China die Zeit für mehr Freiheiten gekommen ist. Die Zerschlagung der Studentenbewegung durch die Panzer auf dem Tianamen Platz beendeten diese Illusion.
Meine Neugierde auf dieses Land, seine Menschen und den rasanten wirtschaftlichen Aufstieg blieb trotzdem groß. Als Vorsitzender der China-Delgation des Europäischen Parlaments habe ich hinreichend Gelegenheit bekommen, Land und Leute kennenzulernen.
Der Respekt und eine gewisse Bewunderung für Deutschland war unverkennbar wie auch die deutschen Politiker besonderes Interesse für China zeigten. Die wirtschaftlichen Verflechtungen waren so groß wie kaum in einem andern Land. Dazu gab eine große Erwartungen an eine win-win Situation bei der Klima- und Umweltpolitik.
Das Verhältnis zwischen China und Europa hat sich mittlerweile eingetrübt. In der Liebesbeziehung sind eine Reihe von Spannungen feststellbar, von unfairem Wettbewerb, zunehmenden Streit über menschliche Grundwerte bis zu Konflikten in der Weltpolitik.
Eine Scheidung wäre mit erheblichen Kosten für beide Seiten verbunden. So muss der Dialog und die Bereitschaft zur Zusammenarbeit auf Augenhöhe auch nach 50 Jahren weitergeführt werden.
In meinem Kühlschrank stehen noch einige Flaschen Tsingtao Bier. Das bilaterale Technologie-Zentrum, die Sportakademie des FC Bayern München und das Oktoberfestgelände in der Stadt lassen ahnen, das vielfältige Beziehungen zwischen China und Deutschland möglich sind.
Über den Autor
Jo Leinen, ehemaliger Minister für Umwelt des Saarlandes (1985-1994), Mitglied des Europäischen Parlaments (1999-2019), Ehrenpräsident der Europäischen Bewegung International (EMI)