Dr. Axel Schweitzer
Eine Welt ohne Abfall – Gemeinsam lassen wir diese Vision in Deutschland und China Wirklichkeit werden.
Als ich 2014 meinen Zweitwohnsitz in Hongkong begründete, fragte mich ein kleiner Junge in einem Gespräch über Recycling und was mit dem Abfall in Hongkong passiert: "Wo ist eigentlich hier die Gelbe Tonne?" Auf meine Antwort, dass es dieses aus Deutschland bekannte Recyclingsystem in Hongkong nicht gibt, sagte er mir mit großer Überzeugung: „ … dann musst Du das ändern!"
Noch heute schöpfe ich aus diesem Moment besondere Kraft für meine Arbeit. Während wir als Erwachsene Herausforderungen und Problemen sehen, gehen Kinder vor allem davon aus, dass Denkbares auch machbar ist.
Damals ist die Vision unseres Unternehmens ALBA Group ASIA entstanden: Wir arbeiten für eine Welt ohne Abfall. Eine Welt, in der es sich für die Generationen von heute und von morgen zu leben lohnt. Der Satz des Jungen zeigte mir auch, dass wir mit unseren Konzepten aus Deutschland dazu beitragen können, diese Vision in China zu verwirklichen.
Meine Eltern haben das Recyclingunternehmen ALBA vor mehr als 50 Jahren in Berlin gegründet. Es dauerte nicht lange und die Firma wuchs über die Stadt hinaus. Seit mehr als zwei Jahrzehnten sind wir auch in Asien tätig, vor allem in China, denn dort ist unser Know-how sehr gefragt. Die deutsche Recyclingindustrie ist weltbekannt. Schon allein 40 % aller in Deutschland produzierten Metalle werden laut der Deutschen Rohstoffagentur (DERA) aus Recyclingmaterial hergestellt.
Auch unsere Kooperation mit China begann in den 1990er Jahren mit Metallen. Die Bedeu-tung von Umwelt- und Ressourcenschutz ist seit dem 12. Fünfjahresplan Chinas im Jahre 2011 erheblich gewachsen. Die damit verbundenen Vorhaben werden mit großem Engagement angegangen. Denn die chinesische Regierung hat erkannt, dass das schnelle Wirt-schaftswachstum große Auswirkungen auf die natürlichen Ressourcen hat. Bessere Lebensbedingungen und eine gesündere Umwelt sind das Ziel.
Die Zusammenarbeit im Bereich der Umwelttechnologien wurde von den Staats- und Regierungschefs bei den deutsch-chinesischen Regierungskonsultationen angestoßen und schon bald wurde ALBA als führender Anbieter von Umweltdienstleistungen und Recyclinglösungen aus Deutschland in China anerkannt. So ist mir auch der 28. Juni 2011 noch sehr gut in Erinnerung. An dem Tag haben wir das Kooperationsabkommen für Recycling und Umweltschutz mit der Nationalen Entwicklungs- und Reformkommission Chinas unterzeichnet. 2012 haben wir unsere erste Tochtergesellschaft in Peking gegründet und bis 2014 weiterentwickelt. Damals entstand auch die ALBA Group ASIA, mit ihren heute knapp 900 Mitarbeitern. Im Beisein von Präsident Xi und Bundeskanzlerin Angela Merkel kam uns die Ehre zuteil, den ersten Vertrag zum Hausabfallrecycling mit der ALBA Green-Fuel-Technologie in China in der Provinz Guangdong zu unterzeichnen.
„Den Fluss überqueren, indem man die Steine spürt.“ Das chinesische Sprichwort beschreibt treffend unsere ersten Projekte in China. Aber wenn man sich einmal in den chinesischen Markt eingefunden hat, sind die damit verbundenen Entwicklungschancen immens. Bereits 2015 konnten wir mit der offiziellen Eröffnung des „Hong Kong WEEE·PARK“ zur Behandlung und Verwertung von Elektro- und Elektronikschrott (WEEE) den größten Einzelauftrag in der Geschichte von ALBA erringen.
Die Erklärung der "30/60"-Ziele von 2020, also bis 2030 die Kohlenstoffspitzenwerte und bis 2060 Kohlenstoffneutralität zu erreichen, hat einen weiteren entscheidenden Impuls gegeben. China erzeugt heute noch etwa ein Drittel des weltweiten CO2-Ausstoßes. Doch durch die klare Zielstellung entsteht der größte Markt für Kreislauflösungen der Welt.
Seit unserer Ansiedlung in China konnte ich persönlich an vielen Delegationsreisen der deutschen Regierung, der Bundeskanzlerin und des Bundeskanzlers teilnehmen. Jedes Jahr haben wir neue Kooperationsprojekte besucht – in Guangdong, Shanghai, Hongkong, Hen-an, Hainan, Guizhou, Jiangsu und Hebei. Im Gegenzug empfangen wir sehr häufig Delegationen aus China in unseren deutschen Standorten. Die Besucher kommen aus allen Ebenen der chinesischen Regierung und Unternehmen. Hintergrund der Besuche sind oftmals die Beautiful China Initiative, BCI, und die Überzeugung, dass die Kombination aus deutscher Umwelttechnologie und lokalen Recyclinglösungen einer der effektivsten Wege zur Realisierung der BCI ist. Tatsächlich verfügt Deutschland über die wichtigsten Anbieter für Umwelttechnologie und Kreislauflösungen der Welt, mit fortschrittlichen Konzepten, modernster Technologie und langjährigen Erfahrungen.
Das kann man auch sehr gut an Interzero sehen, dem in Europa führenden Kreislaufunternehmen, dem ich seit seiner Ausgliederung aus der ALBA Group in diesem Jahr als Chair-man vorstehe und das ich parallel mit unseren Teams zur ALBA Group ASIA führe: Allein als Mittelständler mit rund 2.000 Mitarbeitern und einem Umsatz von rund einer Mrd. Euro ist Interzero insbesondere durch seine Kunststoffrecyclingaktivitäten in der Lage, den jährlichen globalen Earth-Overshoot um 4 Minuten und 20 Sekunden zurückzudrängen. Das ist gemäß der NGO Global Footprint Network der Zeitpunkt, an dem die jährliche Regenerationsfähigkeit unserer Erde verbraucht ist. 2022 war Earth-Overshoot bereits am 28. Juli. Wir bei Interzero sind stolz auf diesen kleinen, aber signifikanten Wert. Er ist uns ein großer Ansporn, unsere Aktivitäten auszubauen. Jüngstes Beispiel der beidseitigen Zusammenarbeit ist hier unser Service unter dem Namen Lizenzero. Er hilft nun auch Onlinehändlern direkt in China ihre Verkaufsverpackungen für den Vertrieb nach Deutschland rechtskonform für das spätere Recycling anzumelden.
Mit Technologien für grüne Kraftstoffe, grünes Gas, das Recycling und die Behandlung gefährlicher Abfälle, dem Kunststoffrecycling und Smart City Technologien und Anwendungen bringt die ALBA Group ASIA weitere moderne Lösungen nach China. Wir sehen uns als vertrauenswürdiger Partner und haben einen ehrgeizigen Entwicklungsplan, um die ambitionierten CO2-Einsparziele des Landes zu unterstützen. So übernehmen wir in der Provinz Hainan beispielsweise die Verwertung von Bioabfällen der Stadt Haikou und des Kreises Chengmai. Dabei stützen wir uns auf fortschrittliche deutsche Technologien zur biologischen Vergärung und mehr als zwanzig Jahre praktische Erfahrung mit dem Betrieb von Biogasanlagen in Europa. Das Projekt ist nicht nur das größte umfassende Bioabfallbehandlungszentrum in China. Es hat auch die Funktion eines Umwelt- und Klimabildungszentrums für die lokale Bevölkerung und Besucher von Hainan und steht für unser langjähriges Konzept, Umwelt und Bildung miteinander zu verbinden. So unterstützen wir neben den aufstrebenden Umwel-tindustrien in China auch die Gesellschaft.
Diese Anliegen verfolgen wir in China und Asien im Übrigen auch durch das Engagement von ALBA BERLIN, dem mit vielen Siegen und Meisterschaften der letzten drei Dekaden mittlerweile einem der erfolgreichsten Basketball-Team Deutschlands und Europas. In China ist Basketball mit 400 Millionen Anhängern die Sportart Nummer eins. Als Vorsitzender des Aufsichtsrates und Vereinspräsident bin ich besonders stolz auf das gesamte Team von AL-BA Berlin mit inzwischen rund 200 Beschäftigten, weil neben den herausragenden sportlichen Leistungen, Nachhaltigkeit in all in ihren Dimensionen, soziales Engagement und Angebote zur Persönlichkeitsbildung zum Kern der Vereinstätigkeit gehören. ALBA BERLIN verbindet Deutschland und China seit 2011 auf all diesen Ebenen miteinander.
Die Beziehungen zu China sind aber alles andere als eine Einbahnstraße. China bietet beste Bedingungen, digitale Lösungen für das Management von Rohstoffkreisläufen zu nutzen. Durch digitale Prozesse wurden in unseren Bioabfall-Anlagen in China die Produktivität und der Komfort für die Kunden erheblich verbessert. Bei der Digitalisierung besteht großes Potenzial, neue Technologien und Geschäftsmodelle in China umzusetzen und in angepasster Form auch wieder nach Deutschland und Europa zu transferieren.
Anlässlich des 50-jährigen Jubiläums der bilateralen Beziehungen zwischen China und Deutschland blicke ich optimistisch auf die nächsten 50 Jahre. Meine Eltern haben als Erste mit der professionellen Abfalltrennung für ein anschließendes Recycling begonnen. Heute ist die Rückgewinnung von Rohstoffen in vielen Branchen und Produktionsprozessen zum Standard geworden. Gemeinsam mit unseren Kunden und Partnern sind wir weiter auf dem Weg zu einer Welt ohne Abfall. Ich freue mich, dass wir mit unseren Unternehmen die Trans-formation zu Kreislaufprozessen in Europa und Asien und ganz besonders in Deutschland und China mitgestalten können. Für die 30/60-Ziele dürfen wir keine Zeit verlieren. Ich bin stolz darauf, dass wir als Team die Möglichkeit haben, Brücken zu bauen und den globalen Einsatz für eine lebenswerte Zukunft auf unserer Erde aktiv zu unterstützen. Ich glaube, dass wir gemeinsam jetzt und in den nächsten 50 Jahren große Aufgaben vor uns haben und weiter exzellent zusammenarbeiten werden – Ganz im Sinne, des Auftrags, den mir der kleine Junge in Hongkong stellvertretend für die kommenden Generationen gegeben hat.
Über den Autor
Dr. Axel Schweitzer (Jahrgang 1969) studierte Wirtschaftsingenieurwesen an der Technischen Universität Berlin und promovierte dort 1995 zum Dr.-Ing. Im selben Jahr wurde er in den Vorstand des von seinem Vater gegründeten Recyclingunternehmens ALBA berufen und leitete das Familienunternehmen ab 1998 gemeinsam mit seinem Bruder Dr. Eric Schweitzer. Von 2005 bis 2018 steuerte Axel Schweitzer in wechselnden Funktionen (Vorsitzender des Aufsichtsrats, des Vorstandes und des Verwaltungsrats) die Geschicke der ALBA SE (vormals INTERSEROH AG bzw. INTERSEROH SE).
Von 2013 bis 2018 war Schweitzer zudem Mitglied des Sprecherteams Greater China des Asien-Pazifik-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft (APA), seit Februar 2019 ist er Stellvertretender Vorsitzender des APA sowie Mitglied des Deutsch-Chinesischen Dialogforums. Axel Schweitzer engagiert sich im sozialen Bereich, indem das Unternehmen zum Beispiel die Kinderheime der Stadt Köln unterstützt. Weiterhin ist er als Vorsitzender des Aufsichtsrats der ALBA BERLIN Basketball GmbH und als Vereinsvorsitzender von ALBA BERLIN Basketball e. V. für den Berliner Sport aktiv.
Mit der Neuordnung der Unternehmen der Familie Schweitzer im Jahr 2022 übernahm Dr. Axel Schweitzer unter anderem das Asien-Geschäft und die weltweiten Aktivitäten im Bereich Kunststoffrecycling sowie alle Geschäfte im Bereich Kreislauflösungen von Interseroh. Als Eigentümer und Chairman von Interzero setzt er sich dafür ein, die Unternehmensvision einer „Welt ohne Abfall" zu verwirklichen.