Deutsch-Chinesisches Dialogforum
2023

Christine Zhang-Lippert


50-Jahre deutsch-chinesische diplomatische Beziehung – eine gemeinsame Brücke, die verbindet.

Vor 50 Jahren, in einer schwierigen Zeit, als China noch stark unter dem Einfluss und dem Schatten der Kulturrevolution stand, haben Deutschland und China den Mut gehabt, den gemeinsamen Weg zu gehen, die diplomatische Beziehung zwischen beiden Ländern aufzunehmen.

Heute sind ca. 5.200 deutsche Unternehmen in China aktiv.  Wenn wir die Hidden Champions, also die unbekannten Weltmarktführer aus Deutschland betrachten, sind mehr als 53% aller Hidden Champions in China mit eigenen Gesellschaften vertreten.  Hidden Champions bilden ein deutsches Phänomen und den Rückhalt der deutschen Wirtschaft.  Über 63% aller in China vertretenden Hidden Champions haben eigene Produktionsstandorte in China.  Die ersten Hidden Champions sind schon seit 1974 in China vertreten.  Der Peak des Markteintritts in China von den Hidden Champions wurde zwischen 2003 und 2013 erreicht, nachdem China der WTO beigetreten ist.  Das gesamte Handelsvolumen zwischen China und Deutschland in 2021 ist über 250 Mrd. USD, davon erreichte das Exportvolumen von China nach Deutschland 141,7 Mrd. USD, wobei die Exporte von Deutschland nach China 103,6 Mrd. USD betrugen, ein Wachstum von 80% im Vergleich zu 2011. 

Nicht nur der wirtschaftliche Austausch zwischen China und Deutschland wächst seit Gründung der deutsch-chinesischen diplomatischen Beziehung, sondern auch der Bildungsaustausch.  Im Wintersemester 2021/2022 sind 36.127 Studierende aus China in Deutschland, ein 8,2% Anteil von allen internationalen Studierenden in Deutschland.  Studierende aus Deutschland in China sind ca. 8.000, ein Anteil von ca. 5,8% von allen internationalen Studierenden in China.  China ist das wichtigste Herkunftsland ausländischer Studierender in Deutschland und das Interesse von chinesischen Studierenden in Deutschland steigt weiter.  Im Jahr 2019 trat die Bildungsreform Chinas in Kraft und Berufsbildung ist Kern der Reform, wofür Deutschland seitens des chinesischen Bildungsministeriums als Vorbild und exklusiver Kooperationspartner für das „1.000 Berufsschullehrerprogramm“ positioniert wurde. 

China und Deutschland befinden sich in einer stark verflochtenen Beziehung.  Der Aufbau der diplomatischen Beziehung hat beiden Ländern und den Völkern beider Länder ermöglicht, wirtschaftlich, wissenschaftlich und zivilgesellschaftlich in allen Aspekten davon zu profitieren.   Als Teilnehmerin dieses Austauschs, gehöre auch ich zu den Profitierenden. 

Meine Reise des bilateralen Austausches mit Deutschland begann im Jahr 2004, als ich von meinen Auslandsstudien zurück nach Shanghai kehrte.  Dort habe ich deutsche Unternehmen als Kunden für das Beratungsgeschäft begleitet, während ich als Geschäftsführerin für einen deutschen Hidden Champion in Shanghai für Asien zuständig war.  Ich war Teil der rasanten Entwicklung durch die wirtschaftliche Kooperation.  Es war nicht immer einfach, die Verständigung von beiden Kulturen zu übermitteln, aber die Interessen aus beiden Ländern waren immer da. 

Bevor ich vor 10 Jahren nach Deutschland kam, habe ich knapp 15 Jahre in den USA und in der Schweiz gelebt.  Deutschland war für mich das Land, in dem ich dienstlich unterwegs war und ich war hauptsächlich in Großstädten wie Frankfurt, München, Köln und Düsseldorf.  Meine Deutschlanderfahrung fing aber erst richtig an, als ich in dem Land lebte, mich in die Gesellschaft integrierte und auch in meine deutsche Familie, wo meine bessere Hälfte herkommt.  Nach 10 Jahren weiß ich was deutsche Kultur bedeutet, wie das Politiksystem und das Bildungssystem funktioniert, was Integration mir und auch der deutschen Gesellschaft bedeutet. Erfahrungen, die ich von meinen zahlreichen Geschäftsreisen und Geschäftsbegegnungen nicht genug sammeln konnte.  Die Intensität und die Inhalte des Austausches sind entscheidend für wirkliche interkulturelle Verständigung und beiderseitiges Verständnis zweier Länder und Systeme.

Meine berufliche Erfahrung in Deutschland war intensiv im Bildungsbereich für die ersten sieben Jahre, am Anfang an der HHL Handelshochschule Leipzig (auch bekannt als „Leipzig Graduate School of Management“), und danach an der ESMT Berlin, beide gehören zu den Top 5 Business Schools Deutschlands.  Es ist bewundernswert, wie hoch das Interesse von chinesischen Studierenden an Deutschland ist.  Deutschland ist ein Exportland, und das betrifft auch Bildung.  Für chinesische Interessent:innen ist es nicht einfach, einen Studienplatz in Deutschland zu bekommen.  Jedoch bemühen sich die Interessent:innen aus China um sich für ein Studium in Deutschland zu bewerben.  Die Bildungsqualität, die deutsche Kultur, die gute Wirtschaftslage von Deutschland haben die chinesischen Bewerber:innen sehr interessiert und sie möchten ihre Deutschlanderfahrung stärken, damit sie auf dem Arbeitsmarkt, sowohl in Deutschland als auch in China wettbewerbsfähiger als ihre Konkurrent:innen sind.  Von den rund 130 Alumni aus China in der gesamten Geschichte von der HHL, fallen knapp 80% auf die letzten 10 Jahre.  Während meiner Zeit bei ESMT Berlin habe ich rund 300 Unternehmer:innen und Top Manager:innen aus China empfangen, die an die ESMT Berlin zur Weiterbildung aus China kamen, vor allem gezielt für das Programm „Understanding Germany“ und „PMI Post Merge and Acquisition“.  Sowohl meine Kolleg:innen als auch ich waren von den chinesischen Weiterbildungsgruppen begeistert, von ihrer Neugier, ihrer Lernfähigkeit, Ihren Interessen an Deutschland und Ihrer Achtung der deutschen Kultur, deutschen Politik, deutschen Landschaft und deutschen Wirtschaft.  Die deutsche Ingenieurskunst, die Familienunternehmen, die Mittelständler und die Hidden Champions, die über Generationen hinweg ihre Geschäfte nachhaltig weiterentwickelt haben, begeistern alle Teilnehmende aus China.  Es ist für uns alle bewusst, dass der Austausch, die Dialoge zur Verständigung und die Überbrückung von verschiedenen Kulturen und Mentalitäten für eine nachhaltige Zusammenarbeit zwingend notwendig sind. 

Vor allem aber ist der Begriff „Hidden Champions“ in China für immer mehr chinesische Unternehmer:innen ein geschätzter Begriff.  In China wird ein neues Leadership-Modell in dem Zusammenhang mit Hidden Champions erforscht und dieses fördert auch die chinesische Regierung um sogenannte Niche-Champions und SADI (Specialized, Advanced, Differentiated, Innovative) Firmen nachhaltig zu entwickeln.  Ich hatte die Ehre, mit Herrn Prof. Hermann Simon, auf welchen das Konzept zurückgeht, die Hidden Champions in China intensiv zu erforschen.  Meine Forschungsschwerpunkte beinhalten deutsche Hidden Champions in China, um sie mit den chinesischen Hidden Champions zu vergleichen.  Im Jahr 2019 wurde die Hermann Simon Business School in China ins Leben gerufen und wird die chinesischen Unternehmer:innen vor Ort weiterbilden, so dass sie das Wissen auch in der Unternehmensführung und der Unternehmensentwicklung verwenden können.  Zum Weiterbildungsprogramm gehört selbstverständlich der Austausch zwischen Unternehmer:innen und Unternehmen von Deutschland und China, um Dialog aufzubauen und Erfahrungen miteinander zu teilen, denn ein kumulativer Gewinn bedeutet mehr.

Der Austausch ist auch keine Einbahnstraße.  Ich hatte die Möglichkeit, an Delegationsreisen nach China unter der Führung von Herrn Dulig 2014 und Herrn Prof. Pinkwart 2018, zusammen mit Unternehmen aus Sachsen und NRW teilzunehmen.  Ein wichtiger Bestandteil des Programms waren die Firmenbesuche und Firmendialoge mit den deutschen Tochtergesellschaften in China und chinesischen Unternehmen.  Reisen dieser Art sind leider seit dem Corona-Ausbruch zum Erliegen gekommen. Ich hoffe sehr, dass China seine Zero-Covid-Strategie bald realistisch anpasst, so dass ein Austausch dieser Art wieder möglich wird. Für Chinesen und die chinesische Wirtschaft sind persönliche Begegnungen auch in der Zeit der digitalen Treffen eine extrem wichtige Basis für eine Zusammenarbeit.

Die verflochtene Beziehung zwischen China und Deutschland, die nun 50-Jahre lange diplomatische Beziehung zwischen China und Deutschland, gehören zur stabilen und starken Grundlage einer strategischen Partnerschaft, die beide Länder befähigen, gemeinsam führende Rolle zu übernehmen, um Verständigung zu übermitteln und Lösungen zu finden. 

Um diese bedeutende Rolle übernehmen zu können, sind inklusives Leadership, interkulturelle Kompetenz insbesondere China- und China-Wirtschaftskompetenz benötigt.  Trotz zahlreicher Initiativen, um umfangreiche China-Kompetenz in Deutschland zu erwerben und zu stärken, herrscht in Deutschland diesbezüglich weiter Nachholbedarf. Diese Kompetenz betrifft alle Ebenen von der Politik, Wissenschaft, Wirtschaft zur Zivilgesellschaft.  Wir brauchen mehr Akteure in allen Bereichen, um die Brücken zwischen China und Deutschland zu bauen, um über Differenzen und Gemeinsamkeiten offen zu sprechen, um Potenziale und Kooperationsbereiche neu zu entdecken und die Dialoge zwischen China und Deutschland zu revitalisieren und intensivieren.   Dieses sind die Motivationen für meine Selbständigkeit als Beraterin, die ich seit 2019 ausübe und in der ich Brücken zwischen chinesischen und deutschen Unternehmen sowie zwischen Bildungsträgern von China und Deutschland aufbaue.

Die vergangenen 50 Jahre in der deutsch-chinesischen Diplomatie haben ein starkes Zeichen von Offenheit, Mut und Vertrauen gesetzt und für beide Seiten nicht erwartete und beispiellose Erfolge gebracht.  Die sich hieraus ergebende Entwicklung weist darauf hin, dass Zusammenarbeit nur effektiv sein kann, wenn gegenseitige Achtung, interkulturelles Verständnis insbesondere China-Kompetenz und Offenheit den Prozess begleiten.  Konfuzius sagte, mit 50 Jahren ist man weiser und weiß, welche Verantwortung man auf sich nimmt.  50 Jahre sind kurz für die Menschheit und für eine langfristige Beziehung zwischen Ländern und Völkern.  Ich wünsche mir, dass sich die deutsch-chinesische Beziehung weiterentwickelt, und zwar auf Basis der gegenseitigen Achtung zum beiderseitigen Nutzen. Hierbei können Deutschland und China ein Vorbild sein, wie Länder trotz unterschiedlicher Systeme Krisen überwinden und dadurch Führungsverantwortung in der Globalisierung übernehmen.


Über die Autorin



Aufgewachsen in Shanghai absolvierte Christine Zhang-Lippert Highschool und
Universität in den USA. Berufserfahrungen hat Sie zunächst in den USA, der Schweiz
und in China gesammelt, wo Sie zuletzt als Managing Director für HRS Asien Pacific
tätig war.
Seit 2012 lebt Frau Zhang-Lippert in Deutschland, wo Sie nach einem MBA Studium
für Universitäten den deutsch-chinesischem Austausch leitete und begonnen hat über
Hidden Champions zu forschen. Seit 2019 ist Frau Zhang-Lippert selbstständig als
Beraterin mit dem Schwerpunkt deutsch-chinesischer Zusammenarbeit